Die Stadtgeschichte im Überblick
Im Herzen des Kraichgaus: Sinsheim
Bereits im Jahr 1561 beschreibt David Chytraeus in der ersten landeskundlichen Abhandlung über die Region "De Creichgoia" Sinsheim als "Nabel des Kraichgaus". Bis heute wird die Stadt als Zentrum im Kraichgau wahrgenommen. Sinsheim liegt zwischen Franken und Schwaben, zwischen den alten Territorien der Kurpfalz und Württemberg oder auch zwischen den Naturräumen Odenwald und Schwarzwald. Vielleicht war auch die gute Lage der Grund für den Zwischenstopp des wohl berühmtesten Besuchers Sinsheims: Johann Wolfgang Goethe kehrte am 27. August 1797 auf der Durchreise in die Schweiz in dem Gasthaus "Zu den drei Königen", das damals in der Hauptstraße lag, ein. In seinem Reisetagebuch hielt er seine Eindrücke und den bis heute gern zitierten Satz fest: Sinsheim habe "das Ansehen eines nach der Landsart heitern Landstädtchens".
Ob Chytraeus oder Goethe, beide Beschreibungen verdeutlichen, dass Sinsheim bis heute optimal im Schnittpunkt der Städte Heidelberg und Heilbronn liegt. Mal gereichte die günstige Lage der Stadt zum Vorteil und ein anderes Mal zum Nachteil.
Die ersten Bewohner des Kraichgaus
Keine 14 km entfernt wurde der erste moderne Mensch, der "homo heidelbergensis" und mit 600.000 Jahren der älteste fossile Fund des modernen Menschen in Mauer gefunden. Aber auch in der Flussaue der Elsenz finden sich zahlreiche frühe Besiedlungsspuren. Es war ein fruchtbares Land mit Muschelkalk- und Lössboden, dass den Menschen in der Geschichte immer wieder eine Heimat bot.
Zeugnis davon geben Funde von keltischen Grabhügeln und Lesefunde der Jungsteinzeit und Bronzezeit aus Sinsheim und der näheren Umgebung. Die frühesten Stücke sind auf die Zeit von 5500 vor Christus zu datieren. Der Sinsheimer Dekan Johann David Karl Wilhelmi (1786 - 1857) verschrieb sein Leben der Ausgrabung und Erforschung dieser Zeitzeugen. Er gründete 1830 die "Sinsheimer Gesellschaft zur Erforschung der vaterländischen Denkmale der Vorzeit" und unternahm selbst mehrere Ausgrabungen. Einige Funde seines "Sinsheimer Antiquariums", das ursprünglich in einem Sinsheimer Gasthaus ausgestellt war und das er 1850 den Großherzoglichen Sammlungen in Karlsruhe vermachte, sind heute wieder im Stadtmuseum Sinsheim zu sehen.
Ein interessanter Fund der römischen Besiedlungszeit wurde im Fundament des Klosters und späteren Stifts Sinsheim gemacht. Ein so genannter Viergötterstein aus dem 3. Jahrhundert nach Christus war hier verbaut und bei Renovierungen im Jahr 1935 zu tage gekommen. Die Inschrift gibt einen Hinweis auf ein römisches Gehöft oder Dorf mit dem Namen Saliobriga. Weitere Funde antiker Spolien auf dem Michaelsberg könnten sogar ein römisches Gipfelheiligtum ähnlich des Heiligenberg in Heidelberg vermuten lassen. Diese These kann aber bisher nicht abschließend bewiesen werden.
Keine Stadt ohne Kloster - Sinsheim tritt ins Licht der Geschichtsschreibung
Erst mit der ersten schriftlichen Erwähnung des Ortes tritt Sinsheim ins Licht der Geschichtsschreibung. Im Urkundenbuch des Klosters Lorsch datiert eine Abschrift einer Urkunde auf das Jahr 770/771. Hier wird dem Schutzpatron des Klosters, dem Heiligen Nazarius, ein Hof in der Gemarkung "Sunnensheim" mit einem darauf stehenden Haus und fünf Morgen Land vermacht. Die Beschreibungen in den Urkundenabschriften lassen zwar keine Rückschlüsse auf die Größe des Ortes und seine Besiedlung zu, belegen aber den über 1250 Jahre alten Ortsnamen.
Auf der Erhebung des Michaelsberges soll bereits vor dem Jahr 1000 Herzog Otto von Worms ein Kollegiatstift errichtet haben. Bischof Johannes von Speyer wandelte das Stift von 1092 bis 1100 in ein Benediktinerkloster um. Wichtigste Bauphasen im 13. und 16. Jahrhundert prägten die Anlage. Die Bauzeit des charakteristischen Turmes ist auf die Zeit von 1517 bis 1535 zu datieren und fällt somit in die Zeit der Bauernunruhen, die auch den Kraichgau erfasste. Mehrere hundert Aufständische des so genannten "Kraichgauer Haufen" unter dem Rädelsführer Anton Eisenhut plünderten die Häuser der Stiftsherren.
1067 hatte König Heinrich IV. bereits den Grafen Zeisolf aus dem Geschlecht der Zeisolf-Wolframe das Markt- und Münzrecht für die Siedlung im Tal verliehen. Das Jahr 1192 gilt als das Gründungsdatum der Stadt Sinsheim, als Heinrich VI. durch Ankauf von Klosterbesitzungen zum Ortsherren über die Hälfte der Stadt wird. Für kurze Zeit erhielt Sinsheim die Privilegien einer Reichsstadt verliehen und war also unmittelbar dem Kaiser unterstellt.
Im Jahr 2004 wurde an der Südwestecke des historischen Stadtkerns eine längst im Stadtbild verschwundene Stadtburg aus der Zeit um 1200 wiederentdeckt. Die Erbauungszeit des Wohnturmes mit Ummauerung deutet auf die Zeit der Reichsstadterhebung und der stauferzeitlichen Erweiterungskampagne des Marktfleckens. Das Einzige was von dieser Episode blieb, ist der Reichsadler im Wappen, den die Stadt bis zum heutigen Tag weiterführt. Nach mehreren Verpfändungen der Stadt löste Ruprecht I. von der Pfalz die Stadt im Jahr 1362 ein und Sinsheim gelangte vollständig in den Besitz der Kurpfalz.
Unruhige Zeiten in Sinsheim in der Frühen Neuzeit
In der Frühen Neuzeit und vor allem im 17. Jahrhundert litt die Stadt unter seiner geographischen Lage. Gerade im Dreißigjährigen Krieg war der Kraichgau durch Truppendurchzüge und Plünderungen stark in Mitleidenschaft gezogen. Im Jahr 1623 wurde aufgrund der Rekatholisierung der Kurpfalz auch das Kollegiatstift Sinsheim kurzzeitig vom Hochstift Speyer wiederbelebt. Gustav Adolphs Befreiung Heidelbergs und der Kurpfalz am 15. Mai 1633 währte nur von kurzer Dauer und der Durchzug von Truppen aller Konfliktparteien bedeutete für das Städtchen Sinsheim Kontributionen in Form von Geld und Naturalien. Mit dem Friedensschluss 1648 war das Schicksal des Stifts endgültig besiegelt. Fortan diente die Kirche als Kornspeicher.
Der Dreißigjährige Krieg fand sein Ende, nicht aber die Schlachten, die längs des Rheins ausgefochten wurden. Am 16. Juni 1674 war Sinsheim Schauplatz eines entscheidenden Gefechts im Niederländisch-Französischen Krieg. Ganz in der Nähe der Stadt trafen kaiserliche auf französische Truppen aufeinander und somit die Befehlshaber Karl von Lothringen, Albert von Caprara und auf der französischen Seite der Vicomte de Turenne. Über die genauen Truppenzahlen gibt es unterschiedliche Angaben in den Quellen – beide Seiten hatten aber hohe Verluste zu beklagen. Die Schlacht wurde am Ende des Tages nach einer kurzen Zurückeroberung der Stadt durch die Kaiserlichen und einem zweistündigen Häuserkampf zu Gunsten der Franzosen entschieden. Nach dem herben Rückschlag für die kaiserlichen Truppen bei diesem Gefecht, zogen die Franzosen unter Marschall Turenne weiter zerstörerisch durch die Kurpfalz. Für die Franzosen ging die "bataille de Sinzheim" als ruhmreicher Sieg in die Geschichte ein. Sie wurde sogar in einer Deckenkartusche des "Salon de la Guerre" im Schloss von Versailles verewigt.
Die Stadt kam kaum zur Ruhe als 1689 der nächste Schlag folgte. Diesmal war es der Pfälzische Erbfolgekrieg der Sonnenkönig Ludwig XIV. Anlass gab seinen General Comte de Mélac in die Kurpfalz zu entsenden, um seine territorialen Ansprüche kriegerisch geltend zu machen. Am 8. August 1689 verwüstete er Sinsheim. Im Februar hatte er bereits Heidelberg in Brand gesteckt und eine Welle der Brandschatzung am Oberrhein und in der Kurpfalz ausgelöst. Sinsheim lag in Schutt und Asche, die historischen Akten waren größtenteils vernichtet, aber die Bewohner konnten sich in die umliegenden Wälder flüchten. Nun galt es den Wiederaufbau mit Steuerentlastung und Baumaterial aus dem Gewann Osterholz voranzutreiben. Erst im Jahr 1712 konnte der Wiederaufbau beziehungsweise Neubau des Rathauses begonnen werden.
Freiheitsträume – Sinsheim und die Badische Revolution
Seit 1806 war Sinsheim Amtsstadt des Großherzogtum Baden. Die napoleonische Neuordnung brachte viele Reformen, dennoch war das 19. Jahrhundert durchzogen von Krisen. Die gesellschaftliche und politische Unzufriedenheit wuchs im gesamten Südwesten. Während die Standesherrschaft immer weiter die Pressefreiheit beschnitt, um keine Aufruhr im Land zu beschleunigen, formierten sich längst Demokraten und Republikaner mit ihrem Traum von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.
In Sinsheim war allen voran der Apotheker Gustav Mayer, der Färbermeister Eduard Speiser und Skribent Karl Bauer, die sich der Idee einer freien Republik verschrieben hatten. Mayer nahm mit einhundert bewaffneten Männern am 24. April 1848 das Sinsheimer Rathaus in seine Gewalt und organisierte den Marsch nach Heidelberg mit dem Ziel dort auf den Hecker-Zug anzuschließen. Nebenbei wurde noch vom Rathaus aus die Republik ausgerufen und weitere Mitstreiter gefunden. Rund zweihundertfünfzig Freischärler zogen nun bewaffnet nach Heidelberg auf den Rathausplatz. Doch die von den radikalen Republikanern erhofften Volksmassen, die die Sinsheimer unterstützten, hielten sich in Grenzen. Bald sahen sich die Revolutionäre umzingelt von der Heidelberger Bürgerwehr und mussten sich zurückziehen. Nach einer zweiten erfolglosen Episode im Jahr 1849 war der Traum ausgeträumt. Ein Zehntel der Sinsheimer entschied sich dafür, das Land zu verlassen und einen Neubeginn zu wagen. Die Wirtschaftsflüchtlinge und politisch Verfolgten fanden unter anderem in Nordamerika eine neue Heimat.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wandelte sich Sinsheim. Die Vereinskultur und das bürgerschaftliche Engagement waren stark ausgeprägt und neue Wirtschaftszweige wie beispielsweise der Tabakanbau wurden erschlossen. Der Anschluss an die Bahnlinie 1868 eröffnete ganz neue Möglichkeiten und schufen einen enormen Mobilitätsschub.
Sinsheims Weg in die Moderne
Ab 1898 leuchtete die erste Straßenbeleuchtung und 1901 war man am Fernsprechnetz angebunden. In der Freizeit besuchten die Sinsheimer das 1905 eröffnete Freibad. Erst nach der Ansiedlung erster größerer Industriebetriebe wuchs die Einwohnerzahl der Stadt. Um 1900 zählte man 3.011 Einwohner. Gerade in der Nachkriegszeit wuchs die Bevölkerung durch den Zuzug von Heimatvertriebenen stark an. Im Jahre 1946 hatte die Stadt 5488 Einwohner, davon 1302 Zugezogene, die untergebracht werden mussten. Nach anfänglichen Notunterkünften entstanden ab 1950 neue Wohngebiete, beispielsweise am Mönchsrain, im Sinsheimer Süden, in Sinsheim-Ost sowie das Postgarten Hochhaus im Jahr 1972. Heute leben in der Kernstadt 12.914 Menschen.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen die Jahre des Umbaus und der Modernisierung in der Stadt. Die alten Gebäude genügten nicht mehr den Anforderungen einer modernen Zeit und so wurde auch in Sinsheim, wie in vielen durch Kämpfe und Bomben unzerstörten Orten, nach dem Zweiten Weltkrieg alte, auch nach heutigen Gesichtspunkten historisch erhaltenswerte Bausubstanz weitgehend beseitigt. Mit dem Ausbau der Hauptstraße und der Verlegung von Kanalisation und Wasserleitungen in den Jahren 1956 bis 1958 begann der Aufbau einer modernen innerstädtischen Infrastruktur. Das Thema Mobilität zieht sich durch die Geschichte - so war der Ausbau der Autobahn mit Anschluss in Sinsheim in den Sechziger Jahren von großer Bedeutung für die Stadtentwicklung.
Die Stadt wuchs beständig und die geschichtliche Zusammensetzung der einstigen großherzoglich badischen Amtsstadt, war Basis der Gemeindegliederung des Landkreis Sinsheim, der von 1939 bis 1973 existierte. Nach der Gemeindereform blieben der Stadt zwölf Teilorte: Adersbach, Dühren, Ehrstädt, Eschelbach, Hasselbach, Hilsbach, Hoffenheim, Reihen, Rohrbach, Steinsfurt, Waldangelloch und Weiler. Zum 1. Januar 1973 wurde Sinsheim zur Großen Kreisstadt erhoben. Sie ist nach Weinheim die zweitgrößte Stadt des Rhein-Neckar-Kreises. Mittlerweile wohnen hier rund 36.000 Menschen aus 116 Herkunftsländern.
Einführende Literatur:
Hartmut Riehl: Auf den Spuren der Adelsgeschlechter in Sinsheim, Sinsheim 2020
Zimmermann-Ebert, Käthe: Grosse Kreisstadt Sinsheim: rund um den Steinsberg, hrsg. von der Großen Kreisstadt Sinsheim, Karlsruhe / Sinsheim 1990